Den Liga-Primus herausfordern

Rückblick: Der Thüringer HC hat vor wenigen Tagen Handballgeschichte geschrieben. Nach 7 Deutschen Meisterschaften, wo die letzte 2017/18 nun schon wieder sechs Jahre zurückliegt, gewann die Mannschaft der Trainer-Brüder Herbert und Helfried Müller auch international einen großen Titel. Im Finalturnier in Graz, dem Final4 der EHF European League, wächst das Team über sich hinaus und ruft die bisherigen besten Saisonleistungen ab. Überzeugend das Halbfinale gegen die Französinnen von DJA Bourgogne Dijon gewonnen, setzen sie sich überraschend auch gegen den Favoriten aus Dänemark, den Cup-Gewinner von 2023, Ikast Handbold durch. Es war ein Sieg mit Bravour und aus Überzeugung, erspielt in dem Wissen und der Überzeugung vom eigenen Können und von einem unbeugsamen Willen, auf der Grundlage eines intelligenten Matchplanes des Trainerfuchses Herbert Müller, der nach dem Abschlusstraining seine Mädels leidenschaftlich beschworen hatte: “Mädels, ihr habt so eine große Chance, und ihr könnt es packen, seid mutig, rennt um Euer Leben, dann holt ihr euch den Pokal.” Es war eine Klasse Leistung des gesamten Teams, in dem Johanna Reichert als Top-Werferin einmal mehr herausragte. Zurecht wird sie nach 110 Toren in Hauptrunde und Final4 als Topscorerin und obendrein, ob ihrer Dynamik und Kampfkraft, ihrer präzisen und wuchtigen Würfe aus dem Rückraum oder im Eins gegen Eins, als MVP des Final 4-Turniers geehrt. Die 23-jährige Österreicherin ist die Entdeckung der Saison überhaupt und zum Glück hat sie ihren Vertrag beim THC verlängert.

Zum Spiel: Gegen Ludwigsburg ist der THC krasser Außenseiter. Es ist das vierte Spiel gegeneinander der Saison, die drei ersten hat der THC verloren, wenn auch das Letzte, mit 22:23 verdammt knapp und unglücklich, auch durch unverständliche Schiedsrichterentscheidungen. Der Druck liegt beim Gastgeber, dem Champions League Viertelfinalisten und Finalisten 2023/24, dem mit 42:2-Punkten überragenden Sieger der Hauptrunde, acht Punkte vor dem BVB Dortmund und 11 Punkte vor dem THC auf Platz vier. Ludwigsburg will Meister werden und seinen Titel verteidigen, und sie haben es ja auch verdient! Herzlichen Glückwunsch HBL – ihr habt erneut eine tolle Punkterunde gespielt.
Dieser unselige Play-off-Modus, gegen den Willen vieler Vereine eingeführt, bietet aber nun einmal den Verfolgern die Chance, über eine ”Best of Three”-Serie dem Hauptrundenersten den Titel noch zu entreißen. Goliath empfängt David: Champions League gegen European League, Serienmeister 2016/17, 2018/19 und 2021/22 bis 2023/24 gegen Serienmeister 2011 bis 2016 und 2017/18. Es ist in der HBF ein Klassiker, ein emotional aufgeladenes Gipfeltreffen, zumal die Wunden vom letzten Spiel noch nicht geheilt sind. Aber die werden wohl erst im Rückspiel in der Salza-Halle aufbrechen. In Ludwigsburg hat der Thüringer HC nichts zu verlieren. Wenn es gelingen sollte, sich nach dem Saisonhöhepunkt mit dem Gewinn der European League noch einmal zu konzentrieren, noch einmal zu motivieren, dann kann der THC auch dort in des Gegners Halle einen raushauen. Nichts ist unmöglich, wenn auch Ludwigsburg am Ende nur gegen die Weltbesten, gegen Györi AUDI ETO KC im Champions League Viertelfinale gescheitert ist. Schauen wir mal, es gibt ja danach noch mindestens ein weiteres Spiel, am Mittwoch, den 14. Mai, dann in der Salza-Halle.
Zum Kader: Alle Mädels sind an Deck, das Final4 in Graz hat Kraft gekostet und Blessuren hinterlassen, hat aber auch Emotionen und Leidenschaft freigesetzt. Jetzt wollen sich alle noch einmal zeigen, wenn auch bald Dinah Eckerle, Kathrin Pichlmeier, Ida Gullberg und Kerstin Kündig andere Wege gehen und den THC Titel-gekrönt verlassen.

Bericht: HaJo Steinbach/ Bild: Christian Heilwagen