In Norwegen braucht es ein Wunder

21.03.2024
Bernd Hohnstein

Der Thüringer HC trifft am Samstag, den 23. März, um 16 Uhr, im norwegischen Hamar, im Rückspiel im Viertelfinale der EHF European League, nach der 35:39 Heimniederlage erneut auf den Tabellenzweiten der norwegischen Frauenliga. War schon die erste Begegnung eine “Herkulesaufgabe”, wie es Herbert Müller vorausgesagt hatte, wird das Rückspiel in fremder Halle mit dem Publikum im Rücken der Heimmannschaft ungleich schwerer. Es bedarf schon eines kleinen Wunders, wollte das THC-Team das Ausscheiden aus dem Wettbewerb noch abwenden.

Rückblick:
Vorweg genommen: das Erreichen des Viertelfinals, zum zweiten Male in Folge, ist allein schon ein großer Erfolg. Neben dem Thüringer HC gelang das nur Neptunes de Nantes (FRA) und Sola HB (NOR). Auf dem Weg ins Viertelfinale haben wir großartige Spiele auf Europas Bühne von unserer Mannschaft gegen starke internationale Konkurrenz gesehen, fünf Siege, bei nur einer Niederlage. Die Mannschaft hat sich aber mit dem desaströsen Auftritt in Rumänien, bei einer 10-Tore Niederlage gegen H.C. Dunarea Braila selbst einen großen Stein für das Viertelfinale in den Weg gelegt. Es rächte sich jetzt, dass man am Ende nur Gruppenzweiter geworden ist. Sei es wie es ist, im Viertelfinale ist erst einmal Halbzeit. Noch sind 60 Minuten zu spielen. Und Herbert Müller denkt grundsätzlich dann in 120 Minuten. Wie der Gegner tickt, wo seine Stärken liegen, aber auch seine Schwächen?, falls es überhaupt welche gibt, wissen wir jetzt. Storhamar hat ein ausgeglichenes, homogen besetztes, international erfahrenes Team mit zahlreichen norwegischen Auswahlspielerinnen. Die Mannschaft ist technisch hervorragend ausgebildet, spielt ein enormes Tempo bei hoher Ballsicherheit und brilliert durch ein intelligentes Positionsspiel mit raffinierten Eins gegen Eins Aktionen. In der Salza-Halle machten dabei Spielmacherin Anniken Obaidli mit 10, die Rückraum-Linke Guro Nestaker mit 9  und Rechtsaußen Tina Abdulla mit 7 sowie die Torhüterin Eli Marie Raasok, die für Norwegen im Europa Cup für Nationen spielt,  mit 13 Paraden bei 35 Würfen den Unterschied. Die Nummern 25, 33, 11 und 30 hat sich jeder Zuschauer leicht merken können. Auch beim THC überragte einmal mehr die Jüngste im Team, Johanna Reichert mit 8 Toren, und Dinah Eckerle glänzte mit 13 Paraden bei 28 Würfen. Indes kämpfte und rackerte Annika Lott und rang mit ihrer gerade überwundenen Verletzung. Sichtbar nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte, stellte sie sich in den Dienst der Mannschaft. Das Ergebnis liest sich wie ein Torfestival, selten gibt es in einem THC-Spiel 74 Tore , noch viel seltener 39 Gegentore gegen eine der besten Deckungsreihen in der deutschen Frauenliga. Der Auswärtssieg der Norwegerinnen war absolut verdient, darüber gab es am Ende keinerlei Zweifel. Aber wie gesagt, es ist erst Halbzeit.

Anniken Obaidli (erzielte im Hinspiel zehn Treffer) war selten von der THC-Abwehr zu stellen. Hier attackieren  Sara Ronningen  und  Sonja Frey. (Fotoautor: Christian Heilwagen)

Zum Spiel:
Der THC steht nicht unter Druck, die Mannschaft hat nunmehr in Hamar nichts mehr zu verlieren. Natürlich sind die Akkus ziemlich leer. Die langen englischen Wochen, harte Spiele gegen starke Gegner, lange Auswärtsfahrten haben an den Kräften gezehrt, diese oder jene ist angeschlagen, müde, ob der hohen Belastungen. Drei Viertel der Saison sind gespielt, der Schwerpunkt liegt jetzt auf der Bundesliga, im Kampf um den zweiten Tabellenplatz. In Norwegen kann die Mannschaft noch einmal ihren besseren Handball zeigen, noch einmal angreifen. Erinnern wir uns, in der Saison 2020/21 verlor der THC das erste Spiel mit 30:32 gegen Storhamar, gewann das Rückspiel aber mit 41:36 und so den direkten Vergleich für sich. Auch so ein Torfestival, sogar 77 Tore, wenn das kein gutes Omen für das Rückspiel ist? Auch der Redakteur darf mal träumen. Damals  spielten wir aber beide Spiele in der Salza-Halle. Im Vorjahr spielte Storhamar noch in der Champions League, erreichte nach der Gruppenphase den 6. Platz, gewann vier von vierzehn Spielen, verlor dann in den Play Offs gegen Odense Handbold aus Dänemark durch eine 22:30-Heimniederlage bei einem 30:30 Unentschieden auswärts. In diesem Jahr will man nun den Pokal in der European League gewinnen. Der Druck liegt bei der Heimmannschaft, darin liegt eine kleine Außenseiterchance für den Thüringer HC. Ein wenig konnte Herbert Müller seinen Frauen Zeit zur Regeneration geben, diese Woche war Mittwoch spielfrei, aber es geht am Freitag früh um drei Uhr mitten in der Nacht schon wieder los. Bis dahin wird das Team einen Matchplan verinnerlicht haben. Ob es gelingen wird, das steht auf der anderen Seite. Drücken wir den Mädels mal die Daumen. Sie haben es verdient.

 

Zum Kader:
Wie gesagt: Alle waren zuletzt dabei, nicht alle sind ganz und gar fit. Annika Lott plagt sich mit der Knieverletzung aus dem Bietigheim-Spiel, Anika Niederwieser klagt ebenso über Kniebeschwerden wie auch Josephine Hanfland. In Norwegen bedarf es einer Leistung über 100 %, ob sie abgerufen werden kann, entscheidet die Tagesform. Indes geht die Kaderplanung für 2024/25 weiter. Und es zeichnet sich schon wieder ein großer Umbruch ab. Zwei neue Linksaußen, eine neue Rückraum Mitte und nach dem Abgang von Nicole Roth nun auch eine neue Torhüterin. Aus Schweden kommt mit Christina Lövgren Hallberg vom Ligaklub IF Hallby HK eine Torhüterin, die zuletzt immer wieder für Schlagzeilen in Schweden gesorgt hat. Wir dürfen uns darauf freuen, die skandinavische Note beim THC wird breiter.

Autor: HaJo Steinbach